Schildkröte
3/4. April 2004 in Berlin

Schildkröte - Caretta caretta

C 2 Fortsetzung

V2
Ich habe mich über den Rat einer Schildkröte geärgert. Sie hat mir gesagt: Lache!
Das fühlt sich an, wie wenn man jemanden, der Depressionen hat, sagt: Denk doch positiv!
Ich empfinde darüber Schmerz und Ärger.
Wie wenn jemand einen Stachel in der Brust hat und möglichst wenig atmet, um das Gewebe nicht noch weiter zu zerreißen und vor allem diesen Schmerz nicht so stark zu fühlen.
Dieses Lachen hat den Finger auf meine Wunde gelegt. Zu direkt, zu patschig. Es muß eine noch junge Schildkröte gewesen sein.
Fühle Druck auf dem Herzen, nehme nichts anderes als mein Herz war. Verbunden mit Mißmut, schlechte Laune. Keine Gedankenkraft, die das auspendeln kann. Gedanken, die an das Licht erinnern, gefangen in Depressionen, zwischen zwei Möglichkeiten:
Erstens, ich wehre mich, wofür ich keine Macht und Kraft habe
Oder zweitens, ich nehme es hin, ertrage es und halte es aus ?
Entscheide mich auszuhalten.
Der Druck steigt und geht zum Schluß (sehr viel später) über in ein Brennen an der Herzspitze.
Die Herzspitze liegt unten, ich konnte sie direkt spüren, das hat den Druck gemindert. Ich atme nicht so tief, erst als das Brennen anfängt, kann ich etwas weiter in meinen Brustkorb atmen.
Ich finde keine bequeme Lage, alles drückt oder fühlt sich überstreckt an, wie z. b. der Hals.
Das Kissen drückt auf den Hals, ich ändere es aber nicht und bleibe so liegen.
Ich fühle mich ausgeliefert. Kein Interesse zu wissen, wem oder was. Kein Schmerz, keine Trauer, kein Bezug zu irgend etwas, nicht tot noch lebendig.
Gesicht zieht sich zusammen
Unterkiefer wird hart
Beiße die Zähne zusammen
Gesicht ballt sich zusammen, wie eine Faust
Ein Gefühl kristallisiert sich weiter heraus
Freudloses, mechanisches Kriechen über den Boden
Keine Idee wieso und wohin, kein Interesse, stumpfe Leere
Anflüge von Übellaunigkeit, die Aggression findet keinen Ausgang
Sie staut sich im Panzer, irgendwo ist ein winziges Leck, das den Druck sehr langsam entlastet.
Der Gedanke, das Leid zu verkürzen ist sinnlos. Ich gebe auf. Nehme es hin und ich habe nicht den Eindruck, daß es freiwillig geschieht. Es wird mit mir gemacht.
Atme sehr flach, es geht nicht weiter. Der Bereich um das Herz ist wie dick eingepackt und nimmt der Lunge das Volumen weg. Nicht genug Lebenskraft, gestaute Energie.
Ein mühsames Kriechen über den Boden unter halb betäubten Schmerzen.
Die Qualität ist sehr destruktiv gegen sich selbst, gegen die Hülle, die den Schmerz konzentriert.
Das Reiben in dem Mörser schafft die Hoffnung, daß Gramm für Gramm der Panzer dünner wird und sich der Inhalt in die Umgebung ergießt.
Der letzte Satz, den V1 gesagt hat: Ich trage etwas für andere, hat mich sehr berührt. Es hat mich an eine Erfahrung in einer Reinkarnationstherapie erinnert. Ich habe immer an dieser Aussage gezweifelt, an dem, was ich dort gesehen habe. Ich dachte, die Therapeutin habe mich suggestiv beeinflußt und mir diesen Stachel ins Herz gegeben. Aber jetzt weiß ich nicht mehr, ob das stimmt. Was ich da erlebt habe, kann ich so gar nicht annehmen.
Es ist wie mit diesen Antworten, mit denen es sich schwer leben läßt. Ich wollte es aber damals wissen und jetzt muß man damit leben, es löst sehr viel Schwere aus. Aber ich mußte es machen, es war eine unglaubliche Sicherheit, die ich damals hatte.
Schlangen, die eine Schildkröte sehen, würden nicht verstehen, warum sie einen Panzer haben. Denn die Schildkröte sieht ja auch ein bischen aus, wie eine Schlange. Sie würden ihr den Rat geben, den Panzer abzuwerfen, aber sie wissen gar nicht, wie verletzlich es unten drunter ist. Die Schildkröte ist nicht am ganzen Körper voller Schuppen. Und das verletzt sie, daß sie so unwissend sind
 

V3
Bin nicht reingekommen
Kopf, heiß, wie glühend
Gefühl, irgendwo herunterzufallen mit dem Panzer nach unten, wie heruntergezogen
Ich glühe
Bauch, Loch wie Hohlraum, der pocht
Frage kam: Was gehört mir? Darauf kam keine Antwort, nur tiefe Trauer ohne Tränen.
Leere und das Gelangweilte, ich wollte rausgehen, nach Hause gehen, abbrechen.
Es kam ein Bild meiner Oma, die sagte: Ich durfte auch nichts behalten.
Wenn du alles weggibst, besitzt du nichts mehr
Dann kam eine Leere, ich war nicht mehr hier, bin komplett rausgegangen, war weg
Es kam die Frage: Seid ihr wirklich meine Freunde oder behaupte ich das nur? Als Kind habe ich euch in einer Keksdose im Garten begraben, viel zu eng.
So habe ich mich dann auch gefühlt: Viel zu eng, kein Platz für mich zum schwimmen.
Kopfschmerzen, heftig, wie Explosion, Druck sowohl von innen nach außen und umgekehrt
Rückenschmerzen, heftig. Im Mark im Innersten vom Knochen, auch die Gelenke. Eher dieses mittlere Stück, das Panzerstück der WS.
Gefühl, etwas falsch zu machen
Gefühl, ich bin hier nicht richtig (Jetzt merke ich erst, daß es allen so geht)
Sehr anstrengend, ganz anders als Adler

Dann kam ein Break, wo ich die Augen geschlossen hatte, es kamen dann viele viele Farben über das bin ich erst richtig reingekommen.
Es kamen Sätze:
Ihr Menschen glaubt, ihr wärt allein und bindet euch ständig an andere Menschen, in dem ihr sie liebt oder haßt. Dabei seid ihr allein und solltet dies viel mehr ehren.
Alleinsein gehört mir
Als Gesellschaft habt ihr versagt, jetzt könnt ihr versuchen wieder zu euch zurückzukommen, jeder für sich, ohne die Gemeinschaft aus den Augen zu verlieren.
Ihr wollt zu große Dinge, fangt mit den kleinen Dingen an. Ihr strebt die ganze Zeit nach Anerkennung, anstatt euch erstmal selbst zu erkennen.
Alles war schwer und anstrengend für mich. Dann fragte ich, ob es noch etwas Schönes gibt ?
Die Schildkröten sagten: Tauch erstmal in die Tiefe, um dann aufzusteigen zum Licht, dort kannst du den nächsten Atemzug nehmen.
 

V4
Die C2  Stufe hat etwas mit Emotionen zu tun, ich habe mehr Schwierigkeiten.
Knieschmerzen, wie noch nie in meinem Leben, besonders im linken, aber eigentlich in beiden, von ganz innen nach außen (wie im Mark), richtig fies, ständiger Schmerz (V1: Ich hatte ein Bild, daß die Kniescheibe der Panzer ist und die Schmerzen von hinten dagegen ballern.) (V10: Bei mir hat es ja auch richtig geknallt, als ich fertig war, sehr heftiger Knall im Knie, der Meniskus wahrscheinlich.)
Direkt hinter der Kniescheibe, aber eigentlich noch tiefer.
Augen, tränend, brennend
Angst, etwas falsch zu machen in der Übung vorher
Der Kontakt, den ich dann aber hatte zu den Leuten, die zu mir kamen, war ein sehr schöner.
Zu Beginn hatte ich eher überlegt, ob ich nicht einfach raussetze, aber ich hatte die Kraft nicht dazu. In den Widerstand gehen ging nicht. Und dann aber auch, das Verlangen die Liebe zu wollen
Gefühl, wie erschlagen
Körperliche Schmerzen
Dachte, ob V1 vielleicht eingeschlafen ist, denn es kam mir vor, als würden wir zwanzig Minuten reiben, statt sieben.
Ich hätte auch tot sein können (V1: das hatte ich auch)
Nicht mal die Kraft für den Gedanken zu haben, zu gehen.
Schon der Gedanke war nicht wirklich da.
Als V1 sagte, daß er für andere etwas übernommen hat, habe ich totale Bauchkrämpfe bekommen, wie eine tiefe Wahrheit ist es reingefahren.
Dickdarm, nicht Unterleib, auf beiden Seiten, direkt unter den Rippen, aufsteigendes,- absteigendes Colon, diese Gegend.
Blähungen
 

V5
Ich wollte langsam und bedächtig sein, mich im Rings-herum vorsichtig drehen. Ich muß in Bewegung sein. Das Gleichmaß war wichtig. Das ich in einem gleichen Fluß bin.
Alles andere an Geräuschen um mich her war mir zu laut, jegliche Geräusche stören.
Wollte gern alleine sein. Fühlte mich runder, als die anderen. Deren Bewegung oder Geräusche haben mich gestört.
Im Liegen wollte ich mich mit den anderen Reibegeräuschen bewegen, aber sie waren mir fremd, ich konnte das nicht.
Ich hätte auch gewollt, das es bald aufhört, es war mir dann zu lang.
Fliege geräuschlos durch Raum und Zeit, treibe. Ich kann Nichts tun.
Das Scharren und Kratzen ist wie an einem Aquarium. Das Gefängnis meiner Fragen und Gedanken. Ich schwimme durch einen Raum, der nicht mir gehört.
Meine Frage war: Kann ich das annehmen, was zu mir kommt ?
Ich konnte nichts machen, ich bin geschwommen, getrieben. Es ist etwas an mir vorbeigekommen oder auch nicht. Dabei habe ich mich gefragt, ob ich das Annehmen kann, was das gerade kommt.
Was ist schon Ewigkeit? Habe an das Mahlen der Gebetsmühlen, an das Mahlen der Gebeine gedacht.
Unruhe, konnte nicht richtig still sitzen
Plötzlich wußte ich, warum mir schon so lange mein Unterleib weh tut (das möchte ich hier aber nicht erzählen)
Mir war dann schlecht, ich war zittrig und ich war Jahrtausende müde
Traum: Meine eigene Stimme sagte zu mir: Es hat schon eine Bedeutung, daß du so  heißt, wie Du heißt.
Gedanklich bin ich schon manches Mal nahe dran gewesen, was wohl mein Name bedeutet.
Für mich geht es um das Ausgedörrt sein, Ausharren, in die jahrtausendealte Dürre zu gehören
Und ich finde es sogar gut.

V6
Konnte vorhin das Lied der Schildkröten aus vollem Herzen singen, ich habe mich total stark gefühlt.
Fühle mich sehr breit, vor allem in den Hüften, was mir eine starke Kraft verlieh.
Gefühl, von einem Krümel nehme ich 10 kg zu
Seit meiner Kindheit habe ich Probleme mit dem linken Knie, jetzt bekommen hier alle Knieprobleme.
Vielleicht habe ich deshalb damit nicht solche Probleme, ich verstehe die Schildkröte.
Ich schwamm einen Fluß entlang, das Wasser floß durch mich durch, es wurde wie durch eine Anlage zwischen meiner Panzerung durchgespült. Durch das Wasser bin ich ständig im Kontakt mit allem, denn im Wasser ist alles über Tausende von Kilometern wahrnehmbar. Ein Fisch hat es doch viel schlechter, an ihm prallt alles ab, denn er ist geschlossen.
Die Schildkröte sagte dann nochmal, ich solle eine Patenschaft übernehmen für sie.
Im Mörsergrund sah ich beim Verreiben Gesichter und Zeichnungen. Es waren die Zeichnungen, die auf den Panzern der Schildkröten sind. Die Schildkröten sagten, die Zeichnungen zeigen den Weg, sie zeigen einen Weg und sie sind daß, was wir erlebt haben, das hat sich auf unserem Rücken imprägniert. Z.b. ein Strichmännchen, sehr archaisch, von dem die Schildkröten sagten: Dieser Mann war schlecht zu uns, den haben wir gefressen. Darum ist die Zeichnung auf unserem Rücken. Wie seltsam, dass ich sie als Menschenfresser erlebt habe.
Übelkeit, Schwindel
Bin in das Gefühl einer Schildkröte hineingegangen, wie es sich anfühlen muß, immer flach am Boden zu sein, Es besteht kein Kontakt nach oben, zur Höhe. Der Kontakt nach unten, ins Erd-Innere ist stärker.
Mein Reiben war rasend schnell, habe ein Höllentempo eingelegt. Vielleicht lag es an dem Mörser, der war so klein, daß die Runde so schnell vorbei war.
Bin fast eingeschlafen
Schmerz, stechend, Bein, unten, links
Schildkröte soll mein Krafttier werden, soll sie zu mir nehmen, kann sie nicht mehr wegschicken. Doch blieb sie immer etwas Geheimnisvolles, Verschlossenes.



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