Schildkröte - Caretta caretta
C 3 Fortsetzung
V9
Zuerst habe ich links herum gerieben.
Der Schildkröte habe ich einige Fragen gestellt, z.b. wie sie
sich in dem Panzer fühlt, wie es ist, das ganze Leben in dem Panzer
zu sein. Ich habe versucht, mit ihr ins Gespräch zu kommen, wie ich
es sonst bei den anderen Verreibungen gemacht habe, da ging es mir aber
wie V3, daß ich keine richtigen Antworten bekommen habe.
Ich weiß nicht, ob sie so langsam ist oder ob sie keine Lust
hat, auf diese Gesprächsebene zu gehen. Ich hatte vorher ja schon
gesagt, daß sich ihre Weisheit nicht in großen Worten äußert,
es war darum schwierig mit den Fragen. Ich muß es mir wohl selber
angucken in so einem Panzer.
Dann habe ich in die andere Richtung verrieben und bin sofort zur Schildkröte
geworden und im Meer geschwommen, aber in das Gefühl des Panzers bin
ich nicht gekommen, denn alles war so langsam.
Die Schildkröten haben eine andere Zeitwahrnehmung, als wir Menschen
und darum ist es schwierig, mit ihr in Kontakt zu kommen, daß war
mein Gefühl dazu.
Stichworte zu meiner Wahrnehmung der Schildkröte:
tiefer Brummton als Grundton, unendliche Langsamkeit, wie in Zeitlupe.
Das Gefühl zu ihr ist sehr tief, aber nicht unbedingt schwer
Allwissend und Unendlichkeit
Ruhig und schlicht
Allein oder einsam, aber auch verschmitzt
Weisheit nicht durch Worte, sondern man muß die Antwort selber
finden, aber sie ist mit ihrer Weisheit anwesend. Sie geht aber nicht in
die Tat, die muß ich selber gehen.
Mag keine Einengung, vor allem nicht am Bauch
Auf meine Frage, wie ich mich abgrenzen kann, ohne einen Panzer zu
brauchen hat sie mir gesagt: Du mußt dich verletzlich machen. Das
habe ich nicht verstanden. Das war oft so, wenn ich etwas fragen konnte
und eine Antwort bekam, so habe ich die Antwort nicht verstanden.
Modalitäten: Besser durch viel trinken und viel pinkeln (wenn
es fließt)
Traum heute nacht: Ich komme zu spät, jemanden abzuholen, weil
ich es vergessen habe.
Das Schildkrötenlied ist mir auf dem Heimweg nicht mehr eingefallen,
aber im Traum war es wieder da.
In der 3. Runde hat sie mir dann das Thema Panzer, Abgrenzung, Verletzlichkeit
erklärt.
Wenn ich keinen Panzer benutzen möchte, muß ich mich
verletzlich machen, denn wenn ich eine Verletzung erfahre, kann ich daraus
eine Erfahrung ziehen und diese wird mich lehren, wann und wie ich mich
das nächste Mal davor schützen kann und das tue ich, indem ich
mich abgrenze und zwar rechtzeitig. Wenn ich aber einen Panzer benutzen
würde, dann würden alle Verletzungen, die ja wie ein Pfeil auf
mich geschossen werden, an mir abprallen und ich würde den Vorgang
nicht lernen, mich abzugrenzen und auch nicht lernen zu differenzieren
zwischen denen, die wichtig sind und denen, die überflüssig sind,
weil ich die Lektion schon verstanden habe.
Ich bin nur so lange in einem Bereich verletzlich, wie ich das aus
der Verletzung genommen habe, was mich weiterbringt und bis ich gelernt
habe, mich abzugrenzen in diesem Bereich. Das es ewig so weitergeht und
ich an immer tiefere Wunden meiner Seele damit gelangen werde.
Ich hatte immer eine Unruhe in meiner Position beim Verreiben. Habe
in den Pausen das Verlangen, mich auf den Bauch zu legen, was ich sonst
nie mache.
Die Schildkröte spricht nicht mit vielen großen Worten,
das nimmt mir bei dieser Verreibung großen Druck. Es müssen
nicht ganz tolle, weise Sachen dabei raus kommen. Wenn ich keinen Druck
habe, fließt trotzdem sehr viel, aber auf einer viel langsameren
Art, auf einer anderen Art, auf einer anderen Ebene.
V8
Ich war voller Energie, richtig besessen auf das Reiben. Es hat mich
befreit, ich habe mich wohler gefühlt. Ich war von hellem Licht
umgeben, welches mir Kraft gegeben hat. Dann habe ich die Zeit verloren,
gerieben und gerieben, es ging ewig.
Ich habe die Schildkröten gefragt, ob sie überhaupt noch
da sind, daraufhin kam ein Bild, wo sie alle dasaßen und gelacht
haben, so ha-ha-ha-ha. Dann habe ich mitgelacht, bis die Runde zuende
war.
Bei der 2. Runde bin ich hinter einer Schildkröte her geschwommen,
sie wollte mir etwas zeigen, ich habe sie aber verloren. Dann sah ich uns
alle hier im Raum sitzen und um uns herumdrehte sich auf einmal alles,
es war wieder diese Bewegung, wie ein Strudel um uns herum, die uns aber
nicht beeindruckt hat, mir wurde auch nicht übel, wie gestern. Wir
waren im Zentrum, nicht außen, sondern in der Mitte.
Der Strudel ist um die ganze Erde so, unsere Erde ist im Zentrum, aber
um uns herum sich alles dreht.
Dann kam die Aussage: Wir sollen uns bewegen, ich habe mich dann aufgerichtet,
die Schale im Schoß gehabt, habe meine Hand hochgenommen und bin
ganz langsam wieder herunter auf die Matte. Ich hatte die Augen geschlossen.
Ich habe auf einmal gespürt, daß hier so ein Muster ist und
habe gemerkt, daß ich auf dem Panzer einer Schildkröte bin.
Ich habe sie auch gesehen, sie abgetastet, hatte die Hand an einer
Stelle und dabei kamen ganz verrückte Bilder. Krieg, weinende
Kinder und Frauen, sehr traurig. Dann habe ich meine Hand an eine andere
Stelle weiterbewegt, da habe ich die Geburt eines Babys gesehen und einen
Strand.
Dann bin ich nochmal weiter und habe vier kleine Schildkröten
in den Bauch dieser Schildkröte gesehen. Daraufhin ging es mir emotional
wieder total gut.
In der 3. Runde habe ich mich hingestellt und auf der Stelle langsam
rechts herum gedreht, um mich herum drehte sich auch alles, aber in die
andere Richtung. Das war sehr unangenehm, ich konnte nichts erkennen. Dann
habe ich mich andersherum gedreht, aber wieder hat sich außen herum
alles in der gegenteiligen Richtung gedreht, es war immer entgegengesetzt.
Ich habe mich nicht wohl gefühlt. Ich hörte dann, daß ich
mich mit drehen solle, in die gleiche Richtung. Das hat dann auch geklappt
und ich konnte Dinge erkennen: Wälder, Tiere, Menschen, ich konnte
mich der Geschwindigkeit anpassen.
Die Schildkröte sagte: Ihr müßt euch mit uns mitdrehen,
ihr müßt euch mit der ganzen Sache mitdrehen, nicht entgegengesetzt
und ihr werdet Natur, Tiere und Menschen sehen und verstehen.
Laßt die Dinge, die nicht zu euch gehören, die ihr über
die Jahre angenommen habt los! Kommt wieder zu euch selbst, findet wieder
und ihr werdet euch nicht mehr entgegengesetzt drehen, sondern mit euch
und mit allem mitdrehen in die gleiche Richtung! Dann werdet ihr sehen
und verstehen. Laßt los!
Insgesamt war ich heute nicht müde, so wie gestern, ich bin total
fit.
V7
Ich bin heute morgen schon um 4.00 Uhr aufgewacht, daß
ist nichts Ungewöhnliches, ich bin aber sehr schwermütig wach
geworden, sehr traurig. Ich hatte drei kurze Träume in der Nacht,
in denen es um Ablehnung, Nicht-gesehen-werden ging, u. ä. meine
Mutter, die unglücklich darüber ist, daß ihre Mutter sie
beim Sterben nicht dabei haben will, weil sie zu gefühlsbetont ist.
Die Musik der korsischen Sänger und Sängerinnen (Ich spielte
zu Beginn der Begegnung einige Lieder der "Polyphonies Corses" S. S.) hat
mich total getroffen, als ich hier ankam (weint), ich hatte wieder dieses
Bild der einsamen Schildkröte, die allein in dem riesigen Ozean ist
auf der Suche nach einem verwandten Wesen. Die Tränen kamen, in dem
Moment, als ich dachte, was für ein Glück, ein verwandtes
Wesen treffen zu können, wenn das in diesem Ozean gelingt! Und
für mich selber ein Gefühl, diese Chance vertan zu haben im Leben
(weint).
Als das Reiben begann, mußte ich mich hinlegen.
Mein Rücken tat weh, als würde ich auf einem Stock liegen,
sehr unangenehm
Die Stelle am Jochbein tat auch wieder so weh.
Meine erste Frage war: Wie findet man im Unendlichen denselben Partner?
Die Schildkröte sagte: Mit Leichtigkeit! Und in dem Moment begann
meine Hand, die rieb, sich total zu verkrampfen und ich überlegte,
ob ich weiter reiben soll, glaube und vertraue?
Sie sagte nochmal: Mit Leichtigkeit, deshalb wählen wir das
Meer. Das Strömen bringt uns zusammen, nicht das Tun! Die
anderen sind auch auf der Suche nach dem richtigen Strom.
Die nächste Frage, die sie mir stellte: Warum fragst du immer
nach dem andern, nach dem Seelenpartner, was ist so schlimm am einsam sein?
Du hast doch das ganze Meer.
Ich sagte: Einsam sein heißt für mich, unglücklich
sein. Die Schildkröte sagte: Das glaubst du nur.
Ich bin extrem wasserscheu, bin auch verwundert, wieso ich die Wasserschildkröte
ausgesucht habe. Sie sagte: Es ist eine traurige Illusion, auf festem Land
leben zu wollen und zu können.
Da bekam ich Spannungen an den Haarwurzeln, mußte die
Spange öffnen, weil alles weh tat.
Ich fragte: Was daran ist denn die Illusion? Sie antwortete: Das Gefühl
der Sicherheit, der Hoffnung, man könne den unangenehmen Gefühlen
ausweichen, aber an Land bist du noch einsamer. Im Meer der Gefühle
bist du im Strömen.
Das wollte ich alles gar nicht hören! Und habe dann so ausweichend
gefragt: Kann ich denn noch etwas für dich tun? Achtung oder Respekt
oder so? Sie hat dann gesagt: Wir achten uns selbst! Das war so,
als hätte mir einer in den Magen gehauen.
Dann wurde mir klar, daß mein Problem nicht die Einsamkeit
ist, sondern die Selbstachtung. Das Gefühl, des Nicht-Selbst-Achtens
habe ich sehr deutlich bei mir gespürt und daraus resultierend das
Abhängig sein von der Aufmerksamkeit, der Achtung der anderen,
dieses Nicht-Gesehen-Werden, im falschen Raum zu sein, anders zu sein,
es nicht richtig zu machen, das war so präsent.
Ich habe gemerkt, wie meine rechte Hand weh tut, wie das Jochbein
weh tut, wie mein Oberkiefer weh tut, vom Zähne zusammen beißen.
Gefühl, als ob meine rechte Körperhälfte viel größer
sei, als die linke. Gestern war es noch ein zartes Gefühl, heute
ist es ganz deutlich. Nicht mit Schmerz verbunden, einfach voluminöser.
Grundsätzlich habe ich bemerkt, daß ich in etwas hineinkomme,
was weh tut und es sind unheimlich Viel Alltagsgedanken sofort wieder
dazwischen.
Ich habe mich leicht und gerne ablenken lassen.
Und nach diesen Antworten spürte ich auch Wut, ich habe mich
verraten gefühlt von den Schildkröten. Ich habe an die Aufstellung
am Freitag gedacht. Wieso stellen sie sich hinter die andere? Ich bitte
sie um Hilfe, ich sitze hier und reibe wie eine Blöde. Wieso stellen
sie sich nicht hinter mich? Bin ich wirklich so stark? Ich bin sehr
nachtragend, das habe ich noch bemerkt.
V1
ÑElastische Härteì. Wie schon gesagt wurde: Es ist nicht klein
zu kriegen.
Dann kam: "Imperien der Schuld", "Imperien der Bestrafung"
(ich wußte noch nicht genau, um was es ging). Ich staune immer, daß
es Menschen gibt, die so ein großes Faible haben für Schuld:
Du bist Schuld oder der ist Schuld. Ganze Therapien, die sich darin erschöpfen,
die Schuld zuzuteilen. Ich treffe ständig Leute, die genau wissen,
wer Schuld ist an ihrem Leben.
Daneben die lange Geschichte der Bestrafung....
Dann kam mir wieder der amputierte Mann in den Sinn und daß
jemand erzählt hat, daß man den Schildkröten bei lebendigem
Leib die Arme und Beine abschneidet. Ich habe auch das Gefühl, daß
sie das nicht spüren. Es ist nicht das humanistische Bild, was wir
davon haben, es ist nicht daß, was wir spüren. Sie empfimden
anders. Das Bein, der Arm ist weg.
Gestern in der C2 war noch das Verwirrt-sein darüber, aber heute
in der C3 kümmert es mich. Ich habe ein Bewußtsein darüber,
über den Verlust und trotzdem kann ich damit weiterleben. Was
braucht es, um vergessen zu können? Was braucht es, um diese Verletzung
loszulassen? Das ist ja eine Kernfrage in der Therapie.
Seit der Einführug der Psychoanalyse als Therapie versuchen wir,
über das Verstehen der Verletzung, das Loslassen zu erreichen.
Dann kam: Der rückwärts gewandte Blick hilft uns zu verstehen,
er befriedigt unser Hirn, aber was geschieht dadurch? Es führt
zur Anklage, es führt zu einem Verteilen der Schuld. Dem Gegenüber
könnten wir Therapien stellen, mit einem vorwärts gewandten Blick.
Solche, die alte Kulturen auch schon kannten, solche, die sie Vision nannten.
Die Vision hilft uns, einen Neu-Beginn zu finden.
Wie kann man mit vergangenen Verletzungen umgehen? Jedenfalls nicht
mit guten Ratschlägen. Eher mit einer guten Idee!
Wenn jemand in einer Gruppe weint sehe ich oft, daß die Leute
hinrennen und das Gefühl haben, sie müssen sofort etwas machen.
Oder daß die Gruppe es seltsam war, wenn ich als Leiter darauf nicht
reagiert habe. Es gibt für mich immer so ein Bewußtsein, daß
jeder Mensch ein Anrecht hat auf seine Trauer. Das es manchmal mehr Power
braucht, daß auszuhalten, wenn es in einer Gruppe jemandem schlecht
geht, als gleich hinzurennen und es wiedr zum verschwinden zu bringen.
Jemandem der trauert einen Ratschlag zu geben, kann auch eine Beleidigung
sein für seine Trauer. Es kommt immer auf die Situation an, man muß
es abschätzen. Wenn jemand weint, weil er sagt: Ich habe mich heute
im Spiegel angeguckt und ich sehe so schlecht aus, dann kann man ihm vielleicht
schon einen Ratschlag geben. Aber wenn jemand weint, weil sein Kind überfahren
wurde, wird es schon schwieriger.
Zurück zu diesem Neu-Beginn. Der vorwärts gewandte Blick,
die Vision, der Neu-Beginn hilft uns, die Verletzung loszulassen. Nur so
weit fühlen, wie es im Moment notwendig ist. Es ist eine Gabe, die
historische Dimension einer Verletzung zu begreifen, aber es ist nicht
immer hilfreich.
Die politische Linke, die sich darin erschöpft, zu vermitteln,
wie sehr das Proletariat und ie Leibeiegenen seit Jahrhunderten ausgebeutet
werden und wie schlecht es ihnen darum geht. Meine Erinnerung, wie schlecht
es mir ging, als ich im politischen Kampf war. Du triffst an jeder Ecke
die Hinweise auf die seit Jahrhunderten andauernde Ausbeutung und weißt
genau, wer Schuld ist; - Das Kapital, der Adel, die Kirche, aber es nützt
dir überhaupt nichts. Denn es gibt sowenig Ideen in dieser Linken.
Man sieht es hier in Deutschland. Der linken Regierung hier ermangelt es
vor allem an Ideen, obwohl wir eine rot-grüne Regierung haben geht
es uns immer schlechter. Offenbar hilft das Erkennen der historischen
Dimension, der rückwärts gewandte Blick uns nicht viel dabei
eine Idee zu finden, wie ein Neu-Beginn zu setzen ist. Wie wir den Schmarren
von gestern loslassen können. Denn das brauchen wir für einen
Neubeginn.
Die Therapie ist dann gut, wenn der Therapeut einem eine Idee gibt,
eine wiklich neue Idee - wir können sie auch Vision nennen.
Dann kam eine Erinerung an die Dankbarkeit, sie hilft uns,
Verletzung zu überwinden.
Dann kommt die Therapie, sie wird die neue Idee setzen und helfen sich
mit ihr zu verbinden.
Darüber, daß jemand eine neue Idee bekommt entsteht Dankbarkeit.
Ich bin dem und dem Menschen äußerst dankbar, daß
er mir eine Idee gegeben hat zu meinem Leben, eine Idee ist auch immer
eine Vision.
Wieso gilt die Schildkröte in so vielen Kulturen als ein Symbol
für die neue Welt? Für die Schöpfung auf dieser Welt,
auf der wir leben. Sie hat die Gabe, eine neue Welt zu schaffen, sie scheint
in sich das zu tragen, was es braucht für eine neue Welt.
Wir nennen Amerika die neue Welt, die Indianer nannten Amerika die
Schildkröten-Insel.
|